Die Anwendung von archäometrischen Methoden in historischen Untersuchungen können nicht nur die Arbeitszeit eines Forschers sparen, die technische Arbeit minimieren und letztendlich zu hoch präzisen Ergebnissen und Lösung von scheinbar unlöslichen Problemen führen. Sie helfen auch, die Richtung und den Inhalt der Forschung in solchen Wissenschaftsbereichen, wo jetzt noch traditionelle Methoden unentbehrlich sind, zu konkretisieren. Vor Kurzem ermöglichten graphoanalytische Verfahren in der vergleichenden historischen Sprachkunde, die Urheimat zahlreicher ursprünglicher Ethnika, die sich dankbar naturellen und historischen Verhältnissen zu gegenwärtigen Nationen entwickelten oder trotz dieser Verhältnisse ihre ethnische Identität bis zur aktuellen Zeit behielten (Stetsyuk V. 1998, 2000), ziemlich präzise zu bestimmen. Die Spuren ihres Vorhandenseins an den Flächen alter Siedlungen konnten sich manchmal in Form der Ortsnamen bzw. des Sprachsubstrats erhalten, wovon schon früher die Rede war (Stetsyuk V., 2000, 55-62). Eine gezielte und vertiefte Suche nach ethnischen Spuren in gegenwärtigen Ortsnamen erbrachte wertvolle Daten, die mit Beachtung auf ethnische mit Hilfe graphoanalytischer Verfahren erhaltene Areale in Beachtung auf entsprechende Sprache etymologisiert worden kann. (Zur Erklärung: in jedem Areal wohnte ein Volk, nämlich der, welchen wir nach unserer Forschung schon wissen. Und mit Anwendung der Sprache dieses Volkes versuchen wir die „dunkle“ Ortsnamen in diesem Areal zu etymologisieren).
          Obwohl solche Daten (die mit der Hilfe der bestimmten Sprache etymologisiert sein kann), unterschied sich deren Anzahl regional sehr stark. Es konnten mehrere Gründe dafür sein – sowohl objektive als auch subjektive. Wegen einer großen chronologischen Distanz, mehrmaliger Abwechslung der Siedler mussten die Ortsnamen zu unseren Tagen nicht unbedingt bleiben. Es ist ferner anzunehmen, dass sich nicht alle primären Ethnika an solcher kulturell-wirtschaftlichen Entwicklungsebene befanden, wenn benannte feste Siedlungen gebildet wurden. Andererseits konnte ein großer Teil von Ortsnamen entweder gar nicht oder auf Grund von zwei (und mehr) verwandten Sprachen gleich entschlüsselt werden. Besonders schwerfällig lassen sich die Ortsnamen iranischer Herkunft der Linksufer-Ukraine mit bestimmten Sprachen gleichzusetzen, da sich hier längere Zeit die Träger unterschiedlicher iranischer Sprachen aufhielten. Für die Rechtsufer-Ukraine ist die Identifizierung der meisten Ortsnamen mit bestimmten Sprachen mit keinen großen Schwierigkeiten verbunden. Von den iranischen Völkern verweilten hier nur die Kimmer, deren Sprache mit der gegenwärtigen kurdischen ähnlich war, und das Tschuwaschisch unterscheidet sich deutlich von restlichen Turksprachen.
          Für die Untersuchungen wurden die Ortsnamen der Ukraine und der anschließenden Länder laut topographischen Kartendaten einiger Gebiete im Maßstab 1:200.000 ausgewählt. Auf die Liste wurden die Benennungen der Ortschaften, Flüsse, Seen, Gebirge u.ä. genommen, deren Verständnis nicht transparent war. Insgesamt schloß die Liste über ein Tausend Ortsnamen ein. Danach wurde versucht, jede der Benennungen mit den Mitteln germanischer, turkischer, iranischer und anderer Sprachen zu etymologisieren. Dies gelang für beinahe drei Viertel Wörter, die hauptsächlich die Ortsnamen der Rechtsufer-Ukraine repräsentieren.
          Den Schwerpunkt dieser Arbeit bilden somit nur ausgewählte naturräumliche Areale, wo die Ortsnamen auf Grund einer Sprache in solchem Umfang ermittelt und etymologisiert wurden, der keine Zweifel an bestehenden Wechselbeziehungen zwischen der entschlüsselten Toponymik und der ethnischen Zuordnung ehemaliger Bewohner dieser Areale zulässt.
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